Max Frisch – Fragebogen

Was zählt. In seinen literarischen Tagebüchern stellte Max Frisch vor rund fünfzig Jahren stellte Max Frisch moralische Grundsatzfragen zu relevanten Themen, die die Menschen bewegen. Die Neuauflage seines „Fragebogens“, illustriert und konzipiert von Janne Holzmüller, beweist: Diese Fragen sind so aktuell wie nie.

Max Frisch fackelt nicht lange: „Sind Sie sicher, daß Sie die Erhaltung des Menschengeschlechts, wenn Sie und alle Ihre Bekannten nicht mehr sind, wirklich interessiert?“ Eine Frage, die sitzt. Wie fiele eure Antwort darauf aus?

„Fragebogen“ lautet der Name von Frischs Werk, das seinen literarischen Tagebüchern aus den Jahren 1966 bis 1971 entnommen wurde. So simpel, so lapidar der Titel klingt, so sehr rüttelt dieser Text doch auf. Je 25 existentielle Fragen zu elf Themen, zum Leben generell, zur Ehe, zu Frauen, Hoffnung, Humor, Geld und Freundschaft, zum Vatersein, der Bedeutung von Heimat und der von Besitz und natürlich zum Tod, stellt er. Und diese Fragen haben es in sich. Manche sind knapp formuliert: „Was fehlt Ihnen zum Glück?“, andere ausführlich: „In welchem der beiden Fälle sprechen Sie liebevoller von einer vergangenen Partnerschaft: wenn Sie eine Frau verlassen haben oder wenn Sie verlassen worden sind?“, aber alle regen dazu an, sich ernsthaft mit der eigenen Moral und dem, was für einen persönlich von Bedeutung ist, auseinanderzusetzen.

Natürlich, einige Fragen sind ein wenig aus der Zeit gefallen, da er sie an sich selbst adressierte, wirkt es, als richteten sie sich ausschließlich an Männer. Davon abgesehen merkt man Frischs „Fragebogen“ die rund fünfzig Jahre nicht an. Die meisten Themen, die er anschneidet, sind vielmehr erschreckend aktuell. „Hoffen Sie angesichts der Weltlage: a. auf die Vernunft? b. auf ein Wunder? c. daß es weitergeht wie bisher?“ Treffer versenkt, oder?

Der Zürcher Schriftsteller Max Frisch (1911–1991) war Zeit seines Lebens ein Suchender, was insbesondere sein „Fragebogen“ offenbart. Mal provokativ, mal zynisch, auch mal kindlich – diese Fragen gehen unter die Haut. Sie können nicht zwischen Tür und Angel beantwortet werden, man muss sich Zeit nehmen. Und ziemlich wahrscheinlich erfährt man durch diese Reflexionen Dinge über sich selbst, die man nicht geahnt hatte oder nie wahrhaben wollte. Und ihr, „Wenn Sie Macht hätten zu befehlen, was Ihnen heute richtig scheint, würden Sie es befehlen gegen den Widerspruch der Mehrheit?“

Zum Weiterlesen: Peter Fischli, David Weiss – Findet mich das Glück?

Diese Rezension wurde bereits im Magazin der Büchergilde Gutenberg veröffentlicht.

Max Frisch – Fragebogen
Buchgestaltung von Janne Holzmüller
Büchergilde Gutenberg, Frankfurt
Deutsche Erstausgabe erschienen im Suhrkamp Verlag, 1992
März 2013, 320 Seiten

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Ein Gedanke zu “Max Frisch – Fragebogen

  1. Hallo Isipeazy,
    Dir gelingt eine gute Empfehlung.
    Mich interessiert die Erhaltung des Menschengeschlechtes über mein Dasein hinaus. Ob, was und wie ich dereinst davon erfahren kann?
    Was fehlt zum Glück? Dieses Buch, um darin zu schmökern? Dies würde eine lange Lese-Nacht.
    Max Frischs Fragen sind wohl nicht zwischen Tür und Angel zu beantworten. Sie verweisen auf lebenslanges Fragen, Lernen und Antworten.
    Auf die Frage eines meiner Lieblings-Autoren mag ich schreiben. Angesichts der Weltlage hoffe ich, dass weiter gedeihen möge, was der Welt zuträglich ist, und das Abträgliche schrittweise einvernehmlich geändert werden wird. Das ein oder andere Wunder ist dazu willkommen – so etwas kommt manchmal vor – ob religiös, historisch oder auch literarisch. Sich wundern heißt anfangen zu philosophieren, und dies regt an zu bürgerschaftlicher Vernunft.
    Dir und Max Frisch sei Dank.
    Viele Grüße, Bernd

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