lesen.hören 12: Felicitas Hoppe und Denis Scheck auf Road Trip durch die USA

Treffen zwei USA-Fans aufeinander. So beginnt kein Witz, sondern die vorletzte Veranstaltung des diesjährigen lesen.hören-Festivals. Und diese zwei Fans sind nicht irgendwer, sondern Moderator und Übersetzer Denis Scheck und die Büchner-Preisträgerin Felicitas Hoppe. Für ihr neues Buch „Prawda“ reiste Hoppe sechzig Tage durch die USA und Kanada auf den Spuren der beiden sowjetischen Autoren Ilf und Petrow, die zwischen Oktober 1935 und Januar 1936 einen vergleichbaren Trip unternahmen und ihre Erlebnisse in dem Reisebericht „Das eingeschossige Amerika“ festhielten. Scheck beginnt die Veranstaltung zunächst mit einem kleinen Spiel: Ich packe meinen Koffer – was würde Felicitas Hoppe unbedingt mitnehmen? Ein Schweizer Taschenmesser, so die Autorin, außerdem „Die Wunder der Welt“ von Marco Polo, das „ein Trostbuch für schwere Stunden beim Reisen“ sei und Märchen: „Wenn alles auf der Kippe steht, lese ich Märchen.“

Fast märchenhaft klingt auch die Geschichte von Ilf und Petrow. In den dreißiger Jahren waren die USA und Sowjetunion noch auf Augenhöhe, der Kalte Krieg in weiter Ferne. „Die beiden Imperien hatten großes Interesse aneinander“, erzählt Hoppe. „Deswegen wurden Ilf und Petrow sogar mit der Billigung Stalins auf Reise geschickt.“ Eine Reise, die durchaus ihre Tücken hatten: Beide Autoren besaßen keinen Führerschein und sprachen kein Englisch, waren also auf ihre Begleitung angewiesen. Auch Felicitas Hoppe unternahm ihre Tour nicht alleine, sondern mit zwei weiteren Künstler. Ihren Mitfahrern ist zu verdanken, dass ein Blog entstand. „Ich tauge nicht für den Tagesjournalismus“, resümiert die Schriftstellerin. „Ich habe denselben Qualitätsanspruch wie am Schreibtisch und hatte deswegen schlaflose Nächte.“ Im Nachhinein ist sie aber froh über das Archiv an Texten, Karten und Bildern.

Die Reise durch die USA hat Hoppe nur bis zu einem bestimmten Punkt vorbereitet, um auf den Zufall vertrauen zu können. „Heute kommt man leider nicht mehr so leicht auf Abwege.“ Und warum ausgerechnet die USA? Sowohl Denis Scheck als auch Felicitas Hoppe waren schon als Kinder und Jugendliche fasziniert von dem Land und haben beide längere Zeit dort verbracht. Hoppe weiß: „Wenn man etwas richtig Unoriginelles tun will, fährt man durch Amerika.“ Es bestehe die Gefahr, dass einem alles bekannt vorkäme. „Wir glauben, dieses Land zu kennen. Ein Erstbesucher, der weniger in Klischees denkt, ist nur scheinbar naiv, eigentlich sieht er das Land viel schärfer als ein Experte.“ Der Westen der USA sei ihre Lieblingslandschaft, verrät die Autorin. „Man braucht eine große Seele, um diese Leere auszuhalten“, entgegnet Scheck.

Trotz ihrer Sympathie für die USA haben beide keinen verklärten Blick auf das Land. Denis Scheck erinnert sich an sein Studium in Dallas: Mit Entsetzen habe er festgestellt, dass die Dallas Morning View kein Feuilleton beinhalte. „Die amerikanische Kultur hat mich angezogen“, so Scheck, „aber im Alltag spielt sie nur eine marginalisierte Rolle.“ Und er fügt hinzu: „Wer echte Bedeutungslosigkeit spüren will, dem empfehle ich einen Aufenthalt in den USA.“ Auch Felicitas Hoppe hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Die USA seien ein Land des Journalismus, aber nicht der Literatur. „Wenn man länger da lebt, spielt man das ‚Faszinosum USA‘ ein wenig nach. Als in Europa sozialisierter Mensch merkt man irgendwann die Defizite.“

Felicitas Hoppe reiste im Jahr 2015, also in der Vorphase des Wahlkampfs, durch Amerika. „Es war nach Reagan und Obama der dritte Wahlkampf, den ich erlebte. Ich kannte die Kirmes also schon.“ In der Zeit glaubte niemand ernsthaft an den Sieg Trumps, Hoppe selbst ist über den Wahlausgang trotzdem nicht überrascht. Sie habe sich irgendwann zur Gewohnheit gemacht, im Supermarkt oder an der Tankstelle Leute zu fragen, wer der Senator in dem jeweiligen Bundesland sei. Eine Antwort ist ihr besonders in Erinnerung geblieben: „I don’t know, they come and go.“ Es habe ein unglaubliches Desinteresse geherrscht. „Diese Reise hat mir auf schmerzhafte Weise gezeigt: Ich begreife dieses Land gar nicht.“

Das Finale des diesjährigen Festivals am nächsten Morgen ist (selbstverständlich!) Roger Willemsen gewidmet. Er scharre bestimmt schon mit den Füßen, scherzt Insa Wilke, die das Konzert „Karneval der Tiere“ anmoderiert. „Karneval der Tiere“ ist eine Kammeroper von Camille Saint-Saëns, zu der Willemsen seinen eigenen, frechen Text schrieb. Vertont wird das Werk von rund zehn Musikern, die man teilweise extra eingeflog. Wilke verrät: „In der kompletten Konstellation haben sich die Musiker heute zum ersten Mal getroffen!“ Ein Raunen geht durch das Publikum – doch siehe da, alles läuft gut, nicht zuletzt dank der munter aufgelegten Katja Riemann, die Willemsens Text vorliest. Das Konzert wird mit Standing Ovations vom Publikum beendet. Roger Willemsen hätte das bestimmt gefallen.

lesen.hören 12 in der Alten Feuerwache Mannheim
10. März 2018
Im Westen was Neues. Felicitas Hoppe und Denis Scheck entdecken Amerika.


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