Ronja von Rönne – Wir kommen (Hessisches Literaturforum)

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Ronja von Rönne ist bereits auf der Bühne, als sie ihren hellen Trenchcoat ablegt, der dazu verdammt ist, im Verlaufe der Lesung auf ihrem Stuhl zu verknittern. Björn Jager, Moderator und Leiter des Hessischen Literaturforums, durchläuft mit von Rönne einige biographische Details der Autorin. Über den berühmt-berüchtigten Feminismus-Artikel möchte er gar nicht sprechen, aber von Rönne liegt auf dem Herzen, auch das Frankfurter Publikum aufzuklären: Ursprünglich war der Artikel in der gedruckten Ausgabe der Welt erschienen – mit drei weiteren Positionen zum Thema Feminismus. „Ich habe mich dazu entschieden, auf polemische Art gegen den Feminismus zu schreiben. Online stand der Artikel dann ohne seine Herde da und kam ganz anders rüber“, erklärt Ronja von Rönne. „Natürlich ist es bequem, sich auf seiner Naivität auszuruhen, aber das war erst mein dritter Artikel und mit dieser Wucht an Reaktionen habe ich nicht gerechnet.“

Die ablehnende Haltung vieler Leser, so vermuten von Rönne und Jager, könne daher rühren, dass sie sich in einigen ihrer Aussagen wiedererkennen. „Ich glaube, der Saal ist voll, weil ich eine gute Projektionsfläche anbiete“, schließt die Wahlberlinerin das Thema. Jetzt können sie über ihren Debütroman „Wir kommen“, im März im Aufbau Verlag erschienen, reden.

Der Roman dreht sich um „vier unsympathische Protagonisten, die ich durch das Buch schleppen müsste“, fasst von Rönne zusammen und fügt ironisch hinzu: „Ich habe auch bemerkt, dass mich dieses Buch nicht sympathischer macht.“ Die vier Figuren, die alle „urbane Berufe“ haben und eine Viererbeziehung führen, leben in einem Umfeld, das von Rönnes gleicht. „Dadurch sind einzelne Passagen umso unangenehmer“, gibt sie zu. Ich-Erzählerin Nora und Karl, Leonie und Jonas sind vier Stadtneurotiker, die in ihrer nicht enden wollenden Passivität einfach „ineinander gefallen sind“. Sie führen zeitweise eine Viererbeziehung, die am Ende scheitert. „Ich finde es tiefromantisch, dass diese Viererkonstellation nicht funktioniert“, sagt von Rönne. „Es ist ein romantisches Buch.“

Das zentrale Thema in „Wir kommen“ ist aber nicht die Liebe oder das Scheitern der Liebe, sondern Selbstfindung, Selbstverwirklichung und das Bedürfnis, gleichzeitig zur Gesellschaft gehören zu wollen und sich von ihr abzukapseln. Ein Gefühl, das Ronja von Rönne kennt: „In vielen Diskussionen weiß man vorher schon, was jeder einzelne sagen wird, das macht sie so wenig reizvoll.“

Zwischen den Gesprächen liest von Rönne mehrere Stellen aus ihrem Roman vor. Sie spricht mit deutlicher Stimme, ihre Worte klingen wie gedruckt und sie scheut sich nicht davor, den Menschen im Publikum direkt in die Augen zu schauen. Moderator und Autorin harmonieren auf der Bühne, von Rönne fängt alle Bälle Björn Jagers gekonnt auf und bietet ihm gehörig Paroli. Sie gibt sich selbstsicher und kokettiert zugleich mit ihrer Selbstironie. Trotzdem – oder gerade deswegen – ist es ihr ein leichtes, das Publikum für sich zu gewinnen.

Ursprünglich, so verrät Ronja von Rönne, habe sie nur über die vier Protagonisten schreiben wollen. Schon während des Schreibprozesses hatte sie die Kritik der Feuilletons im Ohr: „Nicht noch ein Berlin-Roman, nicht noch ein Berlin-Roman…“ Dann entstanden unabhängig von der Viererbeziehung die Geschichten um Maja, der verstorbenen Freundin der Ich-Erzählerin und einzigen Figur, die von Rönne mag: „Ich mag Maja, weil sie etwas macht und in allem entschieden ist, weil sie die Handlung vorantreibt – obwohl sie gar nicht da ist.“ Schließlich hatte Ronja von Rönne zwei unterschiedliche „viel zu dünne Bücher“, von denen sie beschloss: „Ich mach die irgendwie zusammen.“

Bleibt noch eine letzte Frage zu klären: Ist „Wir kommen“ denn ein Generationen-Roman? „Ich will mir nicht anmaßen, meine Generation zu analysieren“, stellt von Rönne klar. „Warum werden immer 20jährige und nie 60jährige gefragt, ob sie einen Generationen-Roman geschrieben haben?“

Hessisches Literaturforum
12. April 2016
Ronja von Rönne – Wir kommen (Aufbau Verlag)
Moderation: Björn Jager

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