Shortlist-Spekulationen: Die glorreichen Sechs?

Die Zeit fliegt, ihr Lieben! Am Dienstag ist es schon so weit, am Dienstag wissen wir, welche sechs Romane es auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises geschafft haben. Ich möchte vorher wieder spekulieren, vielleicht mit mehr Erfolg – bei meinen dreißig Tipps für die Longlist gab es nur fünf Übereinstimmungen. Das mag man nicht zu Unrecht als Indiz dafür werten, dass ich von den Titeln der Longlist mitunter überrascht war und auch jetzt, nachdem ich einige gelesen oder zumindest angelesen habe, nicht ganz überzeugt bin. Der Literaturkritiker Christoph Schröder, letztes Jahr selbst Juror des Deutschen Buchpreises, zeigt sich im Vorfeld versöhnlich: „Und ich werde mir in diesem Jahr auf die Zunge beißen, den Mund halten und meine Arbeit tun. Ich weiß, wie diese Liste zustande gekommen ist. Ich weiß, dass sie das Resultat einer Vielzahl von Kontroversen und Kompromissen ist. Ich weiß, dass jede Longlist rein erratisch ist und genauso gut auch 20 andere Titel hätten darauf stehen können.“

Nach der Bekanntgabe der Longlist kam, wie zu erwarten war, Kritik auf. Im Vergleich zu den Vorjahren, in denen einzelne Namen in die Runde geworfen wurden, die die Jury nicht berücksichtigt hatte, war dieses Mal die Kritik allgemeiner: „Allerdings kann ich nicht umhin, diese Liste unter dem buchhändlerischen Aspekt des Verkaufs zu betrachten, von welchem der Buchhandel nunmal lebt. Bei vielen Bücher der diesjährigen Longlist habe ich die Befürchtung, dass die eingekaufte Anzahl wieder komplett remittiert werden wird. Was bringt mir eine exklusive Liste, wenn die Titel auf dem Tisch liegen, angelesen werden, jedoch nicht über die Ladentheke gehen?“, fragte beispielsweise Die Buchbloggerin, die als Buchhändlerin arbeitet.

Hard Facts: Auf die Longlist haben es sieben Indies und dreizehn große Verlage geschafft, Rowohlt ist gar nicht vertreten, Suhrkamp dafür mit drei Titeln. Das Verhältnis bei weiblichen zu männlichen Autoren ist ebenfalls sieben zu dreizehn; die österreichische Tageszeitung Der Standard erkannte zudem, dass fünf der Schriftsteller aus Österreich stammen. Mit Sasha Maria Salzmann ist unter den zwanzig Nominierten nur ein Debüt und der jüngste Autor mit 28 Jahren ist Jakob Nolte, dessen „Schreckliche Gewalten“ wohl auch das sperrigste Buch der gesamten Liste ist.

Mirko Bonné – Lichter als der Tag (Schöffling)

Über mehrere Jahrzehnte hinweg verfolgt „Lichter als der Tag“ die Beziehungen und Entzweiungen vierer Freunde. Kann eine Aussöhnung mit der Vergangenheit stattfinden? Die Presse war größtenteils begeistert.

Franzobel – Das Floß der Medusa (Hanser)

Dass Zivilisation nur ein ganz dünner Vorhang ist, hinter dem die menschlichen Abgründe kaum verborgen sind, beweist Franzobel mit seinem Roman, in dem fünfzehn Menschen ums nackte Überleben kämpfen. Eine Metapher für unsere heutige Zeit? Zumindest hochgelobt, auch im Literarischen Quartett.

Robert Menasse – Die Hauptstadt (Suhrkamp)

„Die Hauptstadt“ erscheint eigentlich erst am Montag, wird aber jetzt schon fleißig besprochen. „Der große europäische Roman“ sagt Suhrkamp selbst, „Das ist ein elegant geschriebener, fabelhaft gebauter, pointen- und gedankenreicher Roman“, sind die ersten Worte der ZEIT-Kritik.

Robert Prosser – Phantome (Ullstein)

Ich hatte zwar auf Tijan Sila getippt, thematisch ist Robert Prossers „Phantome“ aber vergleichbar. Der Jugoslawienkrieg wurde bisher in der deutschsprachigen Literatur noch nicht allzu oft verhandelt – die Zeit dafür ist gekommen.

Sasha Maria Salzmann – Außer sich (Suhrkamp)

Ein weiterer meiner Shortlist-Tipps, der die Themen Politik, Flucht, Migration, Identität behandelt. Und sollte das noch nicht genügen, könnte Salzmann als Quoten-Debütantin eine Runde weiterkommen. Ich lese ihren Roman derzeit und werde bald berichten!

Julia Wolf – Walter Nowak bleibt liegen (Frankfurter Verlagsanstalt)

(Liebe Frankfurter Verlagsanstalt, wann verbessert ihr endlich eure Website, damit man euch schön verlinken kann?) Julia Wolf sehe ich nicht als Siegerin des Deutschen Buchpreises 2017 – allein aus dem Grund, dass letztes Jahr mit Bodo Kirchhoff ein FVA-Autor gewann. Auf die Shortlist kommt sie trotzdem.

Dienstag um 10 Uhr wissen wir mehr.


4 Gedanken zu “Shortlist-Spekulationen: Die glorreichen Sechs?

  1. Hallo Isabella,

    Ich bin zwar nur die Leseproben durchgegangen, aber die Schnittmenge ist drei, denn Bonné, Wolf und Franznobel tippe ich auch auf die kurze Liste. Dagegen würde ich Evangelio, Schreckliche Gewalten und Kraft drauf setzen. Bin gespannt. Habe eigentlich auch noch vor, etwas zu schreiben, aber ob ich das bis Dienstag hinbekomme?

    Liebe Grüße
    Marc

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  2. Würde da eher mehr Mainstreamiges schätzen, also auch Bonne, obwohl mir der ja gar nicht so gut gefallen hat, Zaimoglu würde ich mir als Sieger wünschen und dann Lehr, Regner, Schulze und als Qotenfrau sozusagen Marion Poschmann.
    Aber vielleicht nimmts die Jury locker und Franzobel wird vielleicht, was die österreichische Jurorenschaft betrifft auch draufstehen.
    Ich bin auch schon sehr gespannt und meistens auch sehr schlecht im Schätzen und lese gerade Sven Regener, liebe Grüße aus Wien!

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  3. Ich bin auch schon recht gespannt, bei Menasse, Franzobel und Wolf haben wir ja auch Überschneidungen.
    Aber morgen wissen wir dann ja definitiv mehr …

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