Kurz&schmerzlos: Torsten Seifert über „Wer ist B. Traven?“

© Kathleen Friedrich, © Tropen Verlag

Es wird in der Literaturblogsphäre kaum jemanden geben, der nicht voller Spannung die erste Staffel von Blogbuster mitverfolgt hat: Ausgewählte Blogger suchten unter den ihnen zugesandten Manuskripten ihren Favoriten aus, der ins Rennen um einen Buchvertrag im Tropen Verlag ging. Die Fachjury entschied sich für den Roman „Wer ist B. Traven?“ von Torsten Seifert, der im Oktober, pünktlich zum Kickoff von Blogbuster II, erschien. Ich selbst hatte die Ehre, als Lektorin mit Torsten an diesem Text zu arbeiten. Jetzt, da das Buch seit anderthalb Monaten auf dem Markt ist, ist es an der Zeit, mal nachzuhaken: Warum eigentlich B. Traven?

Hand aufs Herz: Wie genervt bist du inzwischen davon, immer wieder Fragen zu Blogbuster beantworten zu müssen?

Ganz ehrlich: Kein bisschen. Ich habe dem Blogbuster eine Menge zu verdanken und halte das Konzept, das dahintersteckt, für einzigartig. Wo hat man als Newcomer schon die Möglichkeit, einen Buch-Deal zu gewinnen? Inzwischen ist die Hälfte der 14 Longlist-Autoren bei einem Verlag oder einer Agentur unter Vertrag. Ich finde, diese Quote spricht für sich. Auf jeden Fall bin ich schon gespannt, welche Manuskripte die Blogger in der neuen Staffel auswählen.

Dein Roman „Wer ist B. Traven?“ liefert nicht nur tiefe Einblicke in die Filmindustrie, der Leser bekommt zudem einen guten Eindruck, wie das L.A., Mexiko und Wien der 1940er Jahre aussahen, nebst aller biographischen Details zu B. Traven natürlich. Wie bist du bei deiner Recherche vorgegangen?

Am Anfang stand das große Interesse am Leben B. Travens. Anders funktioniert Schreiben für mich auch nicht. Über ein Thema, das mich selbst nicht zu hundert Prozent fesselt, würde ich keinen Roman schreiben wollen. Schließlich steht man über Jahre hinweg jeden Morgen mit dem Gedanken daran auf und geht am Abend damit ins Bett. Aus dem Zeitraum, in dem meine Geschichte spielt, also 1947 und 1948, ergaben sich dann gewissermaßen die „Leitplanken“, an denen ich mich orientiert habe. Die Recherche bestand neben der Lektüre von so ungefähr allem, was jemals über und von Traven geschrieben wurde, in erster Linie im Lesen von Büchern über diese und aus dieser Zeit, zum Beispiel alte Mexiko-Reiseberichte. Außerdem habe ich mir viele Filme aus diesen Jahren angesehen und war vier Wochen auf Recherchetour in Mexiko zu den Orten, an denen B. Traven vermutlich gelebt hat.

Dein Protagonist Leon ist ein assimilierter Amerikaner mit deutsch-jüdischen Wurzeln. Wie wichtig ist dir, vor allem in Anbetracht der Zeit, in der dein Roman spielt, Leons Herkunft?

Ich wollte eine Figur, die Deutsch, Spanisch und Englisch spricht. Daher lag diese Entscheidung nahe. Aber ich musste nicht erst Leon erfinden um zu wissen, dass die schicksalhafte Geschichte der jüdischen Emigranten viel mehr Stoff bietet, als ich hier unterbringen konnte. Im Sinne des eigentlichen Plots kommen Leons Wurzeln in meinem Buch fast ein bisschen zu kurz.

Leon trinkt zunächst ordentlich einen über den Durst mit Humphrey Bogart, bevor er sich an die Fersen des Mannes hängt, den er für Traven hält. Welcher Handlungsstrang hat dir beim Schreiben mehr Spaß gemacht? Oder am Ende doch den um Maria, Leons großer Liebe?

Es ist nicht so, dass ich nur Spaß beim Schreiben habe, wenn ihn meine Figuren auch gerade haben. Eigentlich macht es mir immer Spaß. Wäre es nicht so, würde das der Leser sicher schnell merken. Klar, es gibt Passagen, die gelingen im ersten Versuch. Und um andere muss ich regelrecht kämpfen. Aber ich denke, das geht den meisten Autoren so.

Du hast mehrfach betont, wie sehr du Mexiko liebst. Mir geht es genauso, weshalb ich besonders gerne an diesem Roman gearbeitet habe. Aber woher kommt deine Liebe zu dem Land – durch die Lektüre der Traven-Romane? Oder gar umgekehrt, bist du durch Mexiko auf Traven aufmerksam geworden?

Das Interesse an Mexiko war schon vorher da, ist aber während der Arbeit am Roman zu einer tiefen Sympathie geworden. Ich habe inzwischen auch andere Länder dieser Region kennengelernt. Doch wie heißt es so schön: „Como México no hay dos” – „Wie Mexiko gibt es kein zweites Land“.

Die aktuelle Entwicklung dort macht mir allerdings große Sorgen. Der Drogenkrieg ist komplett aus dem Ruder gelaufen. In den letzten zehn Jahren haben deswegen fast 200.000 Menschen ihr Leben verloren. Kofi Annan fordert, Drogen weltweit komplett freizugeben. Das klingt im ersten Moment absurd. Aber vielleicht wäre das die einzige Maßnahme, um das Sterben zu beenden.

Welchen Roman würdest du Traven-Neulingen als perfekten Einstieg in sein Œuvre empfehlen?

Sein Roman „Das Totenschiff“ gilt nicht umsonst als ein Klassiker der Weltliteratur. Für Zartbesaitete ist das sicher nichts und auch alle, die Seefahrerromantik oder Piratenabenteuer erwarten, werden da nicht fündig. Aber B. Traven konnte auch ganz anders. „Die Brücke im Dschungel“, sprachlich möglicherweise sein bestes Werk, ist sehr menschlich, gefühlvoll und unendlich traurig. Mein persönlicher Favorit ist der sechsbändige Caoba-Zyklus (Erster Band: „Der Karren“) über das Leben und den Aufstand der überwiegend indigenen Arbeiter in den Edelholzplantagen in Chiapas. Darin gibt B. Traven unter anderem einige noch heute interessante Antworten darauf, warum linke Revolutionen immer wieder gescheitert sind.


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