
„Don’t, don’t, don’t, don’t believe the hype”, sangen Public Enemy 1988. Und auch wenn es damals wirklich, wirklich nicht um Bookstagram ging, leihe ich mir den Titel des Songs für diesen Artikel, er passt einfach zu gut.
Vor einigen Jahren, 2014, 2015 etwa, war die „goldene Zeit der Blogs“, wie Kollege Tobias Nazemi es gerne bezeichnet. 2018, 2019 wird rückblickend die „goldene Zeit von Bookstagram“ sein, prognostiziere ich. Genau wie der Blog-Hype danach rapide abnahm, ist jetzt der Peak von Instagram erreicht. Es kristallisiert sich ebendas heraus, was bei Blogs schon lange klar ist: Entweder man spezialisiert sich, oder aber man hat einen so großen Namen, dass die Rezensionen über die Person, die sie schreibt, funktionieren.
Die Nische macht‘s
Heute meinte ein Lektor nebenbei zu mir, es gebe ein Überangebot auf Instagram, und bestätigte mir damit unwissentlich das, was ich in letzter Zeit auch empfinde: Ich habe keine Lust mehr, mich durch Kurz-Rezi um Kurz-Rezi zu den ewiggleichen Büchern zu scrollen. Deswegen habe ich in den letzten Wochen immer weniger Rezensionen gepostet, und zugleich immer mehr Accounts entfolgt, die, verzeiht mir, ihr Mitlesenden, zu ähnliche Namen haben: Im Zweifel irgendwas mit „Literatur“, „Buch“ oder „lesen“ im Handle.
Wo wir wieder beim Punkt wären: Ich interessiere mich eher für die Meinung der Accounts, bei denen ich die Person dahinter persönlich kenne beziehungsweise mit ihr online genug interagiert habe, um zumindest digital eine Beziehung aufgebaut zu haben. Oder aber für diejenigen, die spezialisiert sind oder mir von Büchern erzählen, die ich sonst nicht entdecken würde. Emilia von Senger, Tobi Börns oder Johanna Ardoján beispielsweise machen Posts, die für mich einen echten Mehrwert haben, weil sie Bücher vorstellen, die nichts mit den schon hundertmal gesehenen Neuerscheinungen zu tun haben. Weiteres Beispiel: Literaturpalast ist spezialisiert auf Literatur aus dem Osten, ein Thema, das weniger meins ist, und doch interessiert mich sein Account gerade wegen dieser Spezialisierung sehr.
Andererseits: Wenn ich Bücher fern des Mainstreams poste, auch bei Neuerscheinungen, bekomme ich via DMs, Kommentaren und Likes (außer von den üblichen Verdächtigen, bei denen ich wiederrum vermute, es wird geliket, ohne den Text zu lesen) kaum Feedback, während die bekannten Bücher zu Kommentaren und Likes animieren. Das zeigt mir vor allem eins: Die meisten Menschen (und ich sage nicht explizit Instagrammer*innen) wollen eher das sehen, was sie kennen, bei dem sie sagen können: Fand ich gut! Fand ich blöd! Will ich auch noch lesen!, anstatt Inspiration durch Unbekanntes zu bekommen.
Club der Selbstdarsteller*innen
Dass Instagram ein Medium der Selbstdarstellung ist, ist keine neue Erkenntnis. Zumindest in meinem Feed haben die ewigen Buch-und-Tasse-Fotos aber abgenommen und die Beiträge, die sich in der Caption (die immerhin bis zu 2.000 Zeichen zulässt) inhaltlich mit den abgebildeten Büchern auseinandersetzt, zugenommen. Das zeigt, wie ich vermute, eine gewisse Ermüdungserscheinung dieser cosy inszenierten Fotos ohne weitere Information.
Die Selbstdarstellung hat aber neue Formen angenommen: Jetzt posten Bookstagrammer*innen Fotos von Büchern, die sie Wochen vor offiziellem Erscheinungstermin bekommen haben, gerne auch mit dem Hinweis: Ich würde so gerne erzählen, wie tolllll dieses Buch ist, darf aber noch nicht, weil Sperrfrist blabla. Jetzt bringe ich vielleicht einige gegen mich auf, aber: Zu sagen, man fand ein Buch toll, bedeutet (in meinen Augen) bereits, diese Sperrfrist nicht einzuhalten. Und wozu? Um zu zeigen, dass man zum Club der Auserwählten gehört, die Bücher vorher zugeschickt bekommen? Gratulation.
Bookstagram nervt?
Zwischen dieser neuen Form der Selbstdarstellung, den Kaffeetassen-Fotos, die es immer noch gibt, und den vielen austauschbaren Texten zu den immer gleichen Büchern von Accounts mit verwechselbaren Handles, beginnt Bookstagram, mich zu nerven.
Euch scheint es übrigens nicht unähnlich zu gehen. Die Umfrage, die ich in den Stories gestartet habe, ob es zu viele Bookstagram-Accounts gibt, ist bisher ziemlich ausgeglichen zu 50 Prozent mit „ja“ beziehungsweise „kann nicht genug geben“ beantwortet worden. Noch sind offensichtlich nicht alle genervt. Aber wie mit den Blogs, scheint die goldene Zeit von Bookstagram sich auf ein Ende zuzubewegen.
Don’t believe the Hype. Bookstagram ist zwar nicht over, aber ist kurz davor, vor lauter Accounts und Überflutung zu implodieren. Sagt Nostradamisi.
Wie du mir da aus der Seele sprichst. Ich sag mal so, es ist mir schon bei Blogs schwer gefallen, auf etwas zu reagieren, was ich noch nicht kenne und interpretiere für mich diese Likes als Wertschätzung für diese Artikel und quasi als Merkbutton für mich eventuell später nochmal auf den Artikel zurück zu kommen, wenn ich das jeweilige Buch selbst gelesen habe.
Jetzt kommt man bei insta, wo es vielmehr um kurze visuelle Aufmerksamkeiten geht, kaum noch umhin, diese durch Bücher zu generieren, die noch keiner haben darf. Theoretisch könnte ich mich da auch auf jedes Buch hin bewerben, aber vielmehr geht mir dieses vorher Posten und zeigen genauso auf die Nerven.
Danke für diesen Text und ich hoffe, dass wenigstens mein Blog/IGkanal trotz lesen I’m Titel im Fokus bleibt 😉😬
Liebe Grüße
Marc
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Ich schaue selten bei Instagram nach, weil mich die Art der Literaturvermittlung dort selten interessiert. Aber beim letzten Gucken ist mir das auch aufgefallen bei ein, zwei Leuten, die mit Büchern posieren, die sie vorab bekommen haben. Großes Augenrollen meinerseits, Instagram zu. Ich finde das zum Teil einfach nur doof.
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Dass die Beiträge auf einem derart oberflächlichen Medium wie Instagram auch zumeist recht oberflächlich sind, sollte ja nicht verwundern. Aber viele Besprechungen von erfolgreichen Bookstagrammer*innen finde ich auch offen gestanden nicht wirklich prickelnd – bzw. wenig überzeugend. Ich will fundierte Besprechungen, Pros und Kontras, ausführlich begründete Werturteile – auf Instagram wird das so selten geliefert. „Das Buch ist toll“ – aber warum? Welche Punkte begründen dieses Werturteil? Aber außer dem inszenierten Cover kommt dann nicht viel mehr nach. Das ist wirklich schade.
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Kommt darauf an, was man von Instagram erwartet – ich erwarte keine großartig argumentierten Texte, dafür gibt es andere Medien. Aber etwas mehr als #currentlyreading sollte es schon sein. Und VOR ALLEM nicht immer die gleichen Bücher überall. Das wird zum Einheitsbrei, da fehlt mir (für mich persönlich) die Entdeckung, und deswegen entfolge ich immer mehr Accounts. Das Besondere fehlt bei vielen.
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Danke für dieses Update! Ich selbst bin nicht besonders viel auf Instagram unterwegs, habe mir aber auch in letzter Zeit gedacht, dass irgendetwas anders ist.
Ich schaue mir eigentlich nur die Bilder an und lese den Text meistens gar nicht. Selbst poste ich meistens zwei bis drei CRs pro Monat und lasse es gut sein. Das ist mir alles zu viel Aufwand, die Zeit verbringe ich lieber lesend statt scrollend.
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