
Was mich an diesem Buch ärgerte
* Sätze wie „Die Witwe … tat am Tag des Umzugs das, was sonst Ehemänner taten“, „Die Männer sprachen über Finanzangelegenheiten, während die Frauen jeweils nur kurz dies und jenes behandelten“, „Jungs waren demnach also wild und eher schlicht, Mädchen mit ihrer ruhigen, nachdenklichen Art dagegen eher kompliziert“ und „Die Männer dagegen preschten vor, als hätten sie wie ihre Söhne Rollen an den Schuhen. Manchmal wollten sie Sex, immer wollten sie Geld. Sie wollten Börsentipps, Weine und gute Komponenten für ihr Audiosystem. Sie wollten alles, was sie kriegen konnten“. Derartige Beschreibungen gibt es zuhauf in dem Roman, und es ist nicht so, als wäre das nur die Meinung einer Figur, die sich im Verlaufe der Geschichte weiterentwickelt, es gibt auch keine übergeordnete Erzählstimme, die das in einen Kontext einordnet oder dergleichen. Es ist einfach die Prämisse des Romans und dieser Gesellschaft, jedoch frei von jeglicher Kritik daran
* die Frauen interessieren sich für kaum etwas anderes als Männer und ihre Kinder
* im Roman werden ausschließlich heteronormative, ja, sogar nur heterosexuelle Familienmodelle gezeigt; alle sind verheiratet und haben mindestens ein Kind; das „Ungewöhnlichste“ in dem Roman ist die Tatsache, dass eins der Kinder adoptiert ist
* die Frauen zeigen untereinander nur selten Solidarität
* Protagonistin Amy klagt die ganze Zeit über Geldprobleme; sie und ihr Mann haben eine Wohnung mitten in Manhattan in einem Gebäude mit Portier und schicken ihren Sohn auf eine Privatschule lol
* die Darstellung von PoCs: Amy hat eine Freundin, die (und deren Ehemann plus die Söhne) asiatischen Background haben, aber sonst ist dieser Roman, der in New York City spielt, durch und durch weiß; die einzigen Schwarzen, die am Rande vorkommen, sind die, die einen Schüler überfallen und ausrauben
* ein Junge wird nebenbei erwähnt, der Musicals liebt – Überraschung, er outet sich später als schwul
* die „lesbische Erfahrung“ die Amy macht, ist mit einer „androgynen“ Lesbe lol
* die Adoptivtochter von Jill bekommt einen „kulturell passenden Name[n]“, nämlich Nadia, benannt nach Nadia Comăneci (im Roman „Comaneci“), einer rumänischen Turnerin – das Kind stammt aus einem sibirischen Waisenhaus
* das Mädchen, das geistig zurückgeblieben ist, hat natürlich eine traumhafte Stimme und ist jetzt doch was wert, hurra!
* als der Ehemann einer der Freundinnen nach 30 Jahren furchtbarem Rumkrebsen im Beruf plötzlich Erfolg hat, ist sie neidisch bis zum Geht-nicht-mehr und träumt davon, ihm alles zu zerstören
* eine Frau im Roman hat eine Affäre; diese wird (Spoiler) dadurch beendet, dass der Mann ihr in den Urlaub folgt (!), Paragliding macht (!) und direkt vor ihrer Nase abstürzt (!) lohool
* im gesamten Text sind Biografien von weiteren Frauen integriert, die komplett random im Raum stehen und auf Zaunpfahl-Weise wohl vermitteln sollen, dass Frauen ganz unterschiedliche Wege einschlagen können, es gibt sogar eine Mutter, die zur Stringtheorie forscht, hallelujah!
* und zu guter Letzt: alle Figuren sind einem als Leser*in völlig egal
Was ich an dem Buch gut fand
* die Darstellung New Yorks sechs Jahre nach den Anschlägen, wie die Stadt versucht, sich aus der Paranoia zu befreien, die Vergangenheit aber noch greifbar ist
Fazit
* ein durch und durch biederer Roman, in dem es einen merkwürdigen Cut gibt zwischen Männern und Frauen; außerdem ein Roman, in dem alles fern der weißen heterosexuellen Norm klischeehaft, vorurteilsbeladen oder exotisierend dargestellt wird, ein Roman über eine weiße, privilegierte Schicht, die ihre eigenen Privilegien nicht reflektiert, die durch und durch egoistisch, egozentrisch und unerträglich ist. Der Witz: „Die Zehnjahrespause“ soll wohl feministisch sein, versagt aber in jeder Hinsicht.
Das war ja in „Das weibliche Prinzip“ schon ganz ähnlich, obwohl es als feministischer Roman gehandelt wurde.
LikeLike