Meine Blogbuster-Kandidatin: Ela Meyer mit „Es war schon immer ziemlich kalt“

„Jetzt hört mal auf, selbst wenn sich unsere Leben verändern, bleiben wir doch immer noch wir.“
Ich mochte mich irren, aber es klang eher wie eine Frage, auch bei Nico mussten sich Zweifel eingenistet haben. Er hatte selbst oft genug gejammert, wenn mehr und mehr Leute aus unserem Freundes- und Bekanntenkreis weggeknickt waren, ihre alten Ideen aufgegeben hatten und so taten, als wäre Idealismus und politischer Aktivismus ein Jugendsport, den man sich als Erwachsener nicht mehr leisten konnte. Auch ich hatte meine Zweifel, fand das Fragezeichen am Ende von Nicos Satz berechtigt, war mir nicht sicher, ob wir noch immer wir waren, ob es einfach immer so weiter gehen würde mit uns.

Ich bin euch noch eine Entscheidung schuldig: Anfang März veröffentlichte ich meine Shortlist für den Blogbuster-Literaturwettbewerb, jetzt kann ich verkünden: Ich schicke Ela Meyer mit „Es war schon immer ziemlich kalt“ ins Rennen um einen Vertrag beim Eichborn Verlag!

Es ist mir nicht leichtgefallen, mich zu entscheiden – was nicht gegen Elas Text spricht, sondern für die Manuskripte von Tessa Schwartz und Luitgard Hefter, die ebenfalls sehr stark und literarisch waren. Da meine Wahl gegen die Texte von acht Bloggerkolleg:innen antritt, musste ich aber auch vom Verlag her denken und entsprechend überlegen, was zum Eichborn-Programm passt.

Liebe Lektor:innen und Literaturagent:innen, die ihr mitlest: Wenn ihr Interesse an Tessas und/oder Luitgards Text habt, meldet euch gerne bei mir.

Eine Freundschaft auf dem Prüfstand

„Es war schon immer ziemlich kalt“ handelt von den Twentysomethings Paula, Marc und Nico, die sich seit ihrer Kindheit in einem friesischen Dorf kennen. Nico wohnt inzwischen in Hannover, Paula und Marc in Hamburg. Sie sind unzertrennlich und erzählen sich alles – eigentlich. Zu dritt machen sie sich von Norddeutschland aus auf den Weg nach Spanien, wo Nicos Mutter wohnt. Aus Solidarität zu seinem Vater hatte Nico vor Jahren den Kontakt abgebrochen, will ihr jetzt aber ein paar ihrer Sachen vorbeibringen. Unterwegs kommen viel zur Sprache, was sich Nico, Paula und Marc bisher verheimlicht haben. Ich-Erzählerin Paula hat Krankheitssymptome, die auf Multiple Sklerose hinweisen, was sie ihren besten Freunden zunächst verschweigt. Und gefühlt ist sie die Letzte, die von Marcs Plänen erfährt, zurück ins Heimatdorf zu ziehen. Ausgerechnet in das Kaff, das sie doch für immer hinter sich gelassen hatten, zurück in die Nähe von Marcs Eltern, die seit seinem Coming-Out nichts mehr mit ihrem Sohn zu tun haben wollen. Für Paula ist diese Entscheidung unverständlich. Unverständlicher nur noch das Geständnis von Nico: Er wird Vater und hat erstaunlich bürgerliche Zukunftspläne. Unterwegs mit dem Bus durch halb Europa kommen diese Themen endlich auf den Tisch, während sie viel Wein und Bier trinken, Abstecher auf Punkpartys machen, einen Hund aufnehmen, alte Bekannte treffen und ungewöhnliche Begegnungen haben.

Wie geht es, befreundet zu sein, wenn man sich in vollkommen gegensätzliche Richtungen entwickelt? Kann diese Weiterentwicklung überhaupt funktionieren, wenn man von den Freund*innen zu abhängig ist? Soll, kann man noch solidarisch sein, wenn man die Entscheidungen des anderen für falsch hält? Wann ist gemeinsame Vergangenheit nur noch Ballast? Muss eine Freundschaft aus Kindheitstagen überhaupt überleben – oder ist es irgendwann an der Zeit, loszulassen?

Zu einem Soundtrack zwischen Django Reinhardt und Team Dresch beschreibt „Es war schon immer ziemlich kalt“ drei Menschenweg am Scheideweg, nicht nur wortwörtlich on the road, sondern auch in ihrem Leben. In einer gelungenen Mischung aus Vergangenheit und Gegenwart mit einem Blick in die Zukunft hat der Roman eine zarte Melancholie und Leichtigkeit zugleich. Hat mich überzeugt, passt zudem zum Eichborn Verlag und somit ist Ela Meyer mit ihrem Debüt „Es war schon immer ziemlich kalt“ meine Blogbuster-Kandidatin!

Die anderen Kandidat:innen im Überblick:

Stefan (Bookster HRO): In „Grund“ von Sylvia Wagner verhandeln die (erwachsenen) Kinder über den Vater, den eine*r von ihnen einst ermordete.
Karolin (Fiktion fetzt): In „Die Klassenkameradin“ von Martina Berscheid schlüpft Eva in die Rolle einer anderen, um ihrem erdrückenden Kleinstadtidyll zu entfliehen.
Julia (Fräulein Julia): In „Am Fuße des Berges“ von Kerstin Meixner geht es um die Komplikationen, die eine polyamouröse Beziehung mit vier Personen mit sich bringt.
Anne (fuxbooks): In „Wofür wir spielten“ von Sina Lippmann trifft eine Frau auf alte Freund*innen und erinnert sich an die Zeit um den Mauerfall zurück.
Marius (Buch-Haltung): In „Verdichtet“ von Yannick Dreßen entpuppt sich das Leben eines erfolgreichen Schriftstellers als eine Illusion.
Andrea (Lesen… in vollen Zügen): In „Der Bücherflüsterer“ von Manuel Zerwas imitiert ein Buchhändler erotische Szenen seiner Lieblingsliteratur.
Romy (Travel Without Moving): In „Die Gefahr des Gelingens” von Kristin Lange lernt ein Polizist bei einem Einsatz die Schwester eines Suizidenten kennen.
Constanze (Zeichen & Zeiten): In „Kahn“ von Franziska Gänsler kommt ein Mann nach dem Tod seiner Mutter in seine Heimatstadt zurück.


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